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Beitrag vom 23.09.2008
VON HEUTE AN. Anke Schäfer, die Frauenbewegung und die Lesben – ein Dokumentarfilm von Uli Bez
Karolin Korthase
Die Regisseurin Uli Bez begleitete Anke Schäfer, Verlegerin, Bücherfrau und Lesbenaktivistin bei einer Reise in die Vergangenheit. Herausgekommen ist ein unterhaltsames Bild...
... von der Lesbenbewegung der letzten 30 Jahre und ein sensibles und einfühlsames Portrait dieser außergewöhnlichen Frau.
Anke Schäfer, 1938 in Berlin Wilmersdorf geboren, ist vor allem durch ihr unermüdliches Engagement in der Frauen – und Lesbenbewegung bekannt. Als Verlegerin, Bücherfrau und Aktivistin gründete sie Gruppen, Projekte und feministische Betriebe und brachte mit "Virginia" die erste deutsche Frauenliteraturkritik auf den Weg. Auch war sie an der Gründung des Wiesbadener Frauenbuchladens beteiligt und gestaltete viele Jahre lang den szenebekannten Lesbenkalender. 1998 wurde sie als Bücherfrau des Jahres geehrt. Zwei Jahre später erhielt sie für ihr Engagement das Bundesverdienstkreuz.
Die schlohweißen Haare mit einer bunten Spange zurückgesteckt, erzählt Anke Schäfer während dem Autofahren von der Freiheit und von großen und kleinen Kompromissen in ihrem Leben. Ihre gescheiterte Ehe findet Erwähnung, die Kompromisslosigkeit, die das Alter mit sich bringt und die schon früh erfahrene Erkenntnis, dass Freiheit vor allem darin besteht, "das zu tun, was ich tun muss und zwar gern und freiwillig." Während sie erzählt, verweilt die Kamera ruhig auf ihrem Gesicht. Nur ab und zu gibt es einen Schwenk auf die vorbeifliegende Landschaft und den verhangenen Himmel über dem unteren Westerwald, wo die Bücherfrau und Lesbenaktivistin in dem kleinen Ort Charlottenberg mit Gleichgesinnten lebt.
Der Filmemacherin Uli Bez ist es in ihrem Dokumentarfilm gelungen, den Erzählungen und Anekdoten von Anke Schäfer immer auch die passenden Bilder zuzuordnen. Die Autofahrten und das Einblenden der verschlafenen, majestätischen Landschaft des Westerwaldes zum Beispiel harmonieren mit Schäfers Erzählfluss über die Freiheit und symbolisieren zudem das "in Bewegung sein" der heute 70-jährigen Bücherfrau.
Schon die Kamerafahrten aus dem Auto heraus, die in den ersten Bildern des Films zu sehen sind, weisen auf einen bestimmten Erzählmodus, aber auch auf den Erzählanspruch dieses Films hin. Denn Uli Bez reist mit Anke Schäfer nicht nur in deren eigene, persönliche Vergangenheit, die von ihrer Liebe zu Büchern bestimmt ist, sondern auch in die Vergangenheit der Lesbenbewegung, die Schäfer so maßgeblich mitbestimmt und geprägt hat.
Der Film bewegt sich dabei vom Öffentlichen und Politischen ins Private, was den Zuschauerinnen ermöglicht, sich der Person Schäfer Stück für Stück zu nähern, ohne die Bilder und die Erzählungen der Protagonistin als zu intim zu empfinden.
So kommen Weggefährtinnen, wie die lesbische Liedermacherin und Chansonnière Carolina Brauckmann zu Wort, Fotos aus der ersten Zeit der Gründung des Frauenbuchladens in Wiesbaden werden gezeigt und immer wieder werden auch Aufnahmen aus der "Villa Charlotta" , dem Wohnprojekt, des von Anke Schäfer initiierten Vereins für Lesben im Alter "Safia e.V." eingeblendet.
All diese Impressionen fügen sich als Mosaiksteine zu einem großen Bild über das Leben von Anke Schäfer und über die Lesbenbewegung zusammen. Dabei verfolgte Uli Bez jedoch nicht den Anspruch, die Geschichte der Lesbenbewegung in den letzten Jahrzehnten stringent und vollständig zu erzählen. Vielmehr scheint ihr daran gelegen, die Anfänge, die Philosophien und die Ressentiments gegen und innerhalb der Bewegung aufzuzeigen.
Besonders aufschlussreich ist dabei das Treffen zwischen der Musikerin Brauckmann und Schäfer, in dem der Hass der Nazis gegen die Lesben ebenso zur Sprache kommt wie Schäfers frühere Radikalität, die transsexuelle Frauen aus der Bewegung ausschloss. Auch diese Filmsequenz wird von Uli Bez und ihrer Kamerafrau Meike Birck sensibel in Szene gesetzt. Nahaufnahmen von den beiden Frauen während ihrer Unterhaltung zeigen die Leerstellen ihres Gesprächs: Ein zuckender Mundwinkel und ein in der Ferne sich verlierender Blick bezeugen die Vertrautheit, aber auch die Fremdheit zwischen Brauckmann und Schäfer und eröffnen eine Welt, die die tatsächlich ausgesprochenen Worte weit hinter sich lässt.
Die letzten Szenen des Films zeigen Anke Schäfer mit ihrer Tochter Ines. Ihr Gespräch über den Nierenkrebs, den Schäfer vor einigen Jahren besiegte, gehört dabei zu den berührendsten Momenten des Films. Ohne in Sentimentalitäten zu verfallen, spricht Schäfer von der Ruhe und Befreiung, die sie durch die Krankheit erlebte, als ihr bewusst wurde, dass sie gehen könnte, weil sie auf ein erfülltes Leben zurückblickt. Ein Leben, das bestimmt war durch die Liebe zur Literatur und ein Leben im Kampf für die Rechte von Frauen, insbesondere lesbischer Frauen.
AVIVA-Fazit: Ein wunderbar einfühlsamer und informativer Film über das Leben und Wirken von Anke Schäfer und über die Lesbenbewegung. Sehr passend und unterhaltsam sind die Lieder aus der Bewegung, wie zum Beispiel "7 alte Lesben" von Carolina Brauckmann, die im Film eingespielt werden.
VON HEUTE AN! Anke Schäfer, die Frauenbewegung und die Lesben
Deutschland 2007
Buch und Regie: Uli Bez
Kamera: Meike Birck
Lauflänge: 70 Minuten
Weitere Informationen finden Sie unter: www.ulibez.de
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